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Der Prolaps wurde hoffentlich minimalinvasiv schonend aus dem Spinalkanal entfernt! Gibt es trotzdem noch was zu beachten?
Die Bandscheibe oder Zwischenwirbelscheibe besteht aus zwei, eigentlich sogar vier zu beachtenden Regionen von spezialisiertem Bindegewebe: Im Kern finden sich spezialisierte Bandscheibenzellen, die eine stark wasserhaltige Substanz, die Matrix, auch speziell angeordnete spiralig nach außen zu den Rändern dichter angeordnete Fasergeflechte bilden. Die Ernährung und der Stoffwechsel dieser Bandscheibenkern- und Bandscheibenfaserring- Zellen erfolgen überwiegend von den beiden benachbarten Lendenwirbeln. Der Zwischenwirbelscheibe zugewandte Grund- und Abschlussplatte ist stark perforiert, sodass sich hier der Stoffwechsel zwischen dem Knochenmark der Lendenwirbel und der Zwischenwirbelscheibe überhaupt erst möglich ist. Aber auch vom Bandscheibenfaserring her seinen mit zunehmenden Alter feine Kapillaren und begleitende Nervenfaserngeflechte Richtung Bandscheibenkern einzusprießen.
Wenn nun doch eine viel länger anhaltende Fehlbelastung, aber auch durch genetische Faktoren im mittleren Alter eine akute Fehlbewegung oder akre Gewichtsbelastung erfolgt, kann der Faserring nach hinten einreißen und die eher gallertartige Kernmasse Richtung Rückenmarkskanal austreten.
An bestimmten Stellen kann das hervorquellende Kerngewebe eine vorbeiziehende Nervenwurzel des Ischiasnervs abquetschen oder auch nur reizen, sodass es zu Schmerzausstrahlungen, aber auch zu Lähmungserscheinungen und/oder Gefühlsausfällen bis in den Fuß kommen kann.
Der Neurochirurg versucht, die Nervenwurzel zu befreien, er entfernt großzügig das hervorgetretene / vorgefallene Kerngewebe und räumt oft zur Vermeidung von nachrückenden weiteren Kerngewebe zwischen den Wirbeln ordentlich auf: Der Faserring ist an dieser Stelle also nicht mehr intakt, weiteres Kerngewebe kann sich zunehmend durch diese Lücke erneut in den Spinalkanal vorarbeitenden Rezidivprolaps.
Eine regelrechte Naht des Faserringes ist bislang noch nicht geglückt. Und auch jeder noch so schonende Zugang in den Spinalkanal ausgetretenen Prolaps hinterlässt Folgen. Deswegen sollten immer auch regenerative Optionen frühzeitig genug geprüft und dann natürlich auch gegebenenfalls durchgeführt werden! Absolut vordringlich ist zu einen der Wiederverschluss des Bandscheiben-Faserringes mit möglichst natürlichen Mitteln und andererseits die Stimulation der Bandscheibenkernzellen zur Vermeidung einer zunehmend kollabierenden Bandscheibe mit instabilen Lendenwirbeln, Gleitwirbelbildung, entzündlichen Reaktionen in den Lendenwirbelkörpern, aber auch in den Lendenwirbelgelenken einschließlich zunehmender Entwicklungen von degenerativen Spinalkanalstenosen.
Neue Verfahren nennen sich Nukleoplastie, gezielte Injektionen von PRP/ACP/Eigenblut, Bandscheibenfrischzellenbehandlung, epidurale Injektionen auch in den Spinalkanal. Die vom Pilates-Training bekannten tiefen Stabilisatoren des unteren Rückens, der Psoasmuskel und der Piriformismuskel müssen ebenso wie die Rückenstreckermuskeln und vor allem die das Becken stabilisierenden Muskeln und Faszien konsequent trainiert werden. Auch hier stehen zusätzliche stimulierende Injektionen sowie intensive physikalische Efekte wie z.B. der ESWT-Stoßwellentherapie zur Verfügung.
Auf jeden Fall sollte vor Operation eines Bandscheibenvorfalles schon geprüft werden, ob dieser Vorfall nicht auch mit geeigneten intensiven biologischen Interventionen behandelt werden könnte. Spätestens aber nach einer Nukleotomie ist eine genaue Überprüfung der örtlichen Situation einschließlich MRT Kernspin, Iliosakralsituation, Myofaszialregeneration anzuraten!
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